Ich bin mit Menschen aller politischer Lager befreundet. Bis Corona war das kein Problem.

Während der Coronazeit auch nicht. Ich schloss mit ihnen einfach Abkommen, Beziehungs- und Sachebene zu trennen. Es funktionierte.

Dann kam das heurige Superwahljahr. Es begann mit der EU-Wahl im Juni, danach verstärkte sich der Eindruck: Selbst bislang unpolitische Menschen versuchen sich nun im Beeinflussen, von subtil-charmant bis Holzhammer.

Die Grüne überreicht mir beiläufig ein Buch, Rudi Anschobers entzückende Vision einer genesenden Welt, in der Klimaleugner und Rechtsextreme wundersam bekehrt sind.

Der Konservative verwickelt mich gleich nach der Begrüßung in politische Debatten, in denen es nicht um die Sache, sondern um den Sieg nach Punkten geht. Dabei verwendet er reichlich manipulative Phrasen wie „Ist es denn nicht so, dass…?“ Antworte ich an dieser Stelle „Nein“, kommt ich die nächste halbe Stunde nicht zu Wort.

Die arme Seele, die in Coronazeiten in gewisse Social-Media-Kanäle rutschte, überschüttet mich mit neuesten wissenschaftlichen Erkenntnissen zu diversen Weltverschwörungen („Alles FAKTEN!!!“). Diese wissenschaftlichen Fakten sind erstaunlicherweise in Laiensprache verfasst und mit zahlreichen Rufzeichen versehen, derer sich kein seriöser Wissenschaftler bedienen würde.

Der bekennende Blaue malt ein Szenario von Chaos und Zerstörung, hervorgerufen durch exzessives Ins-Land-Lassen andersgläubiger Menschen mit ausnahmslos krimineller Energie. Wehe, man erwähnt den netten Syrer/Afghanen/Rumänen, der brav arbeitet und Steuern zahlt.

Für die Rote wiederum sind ebendiese Menschen allesamt reizend-liebenswerte Nachbarn und die U6 ein Hort freudvoller Multikulti-Begegnungen. Wehe, man erwähnt die jüngste Messerstecherei oder Massenvergewaltigung einer Minderjährigen.

Leute, ich habe es satt. Ich weiß genau wie ihr, dass die Wahl im September richtungsweisend ist. Dass jede Stimme zählt. Natürlich gehe ich wählen, wie immer. Bis dahin wünsche ich weder zart genudgt noch wortschwallig niedergeredet und schon gar nicht offen manipuliert zu werden. Lasst mich einfach in Ruhe.

Übrigens: Was ich wähle, steht längst fest.

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