Heute läuft meine Öffi-Jahreskarte ab. Ob ich nächste Woche wohl daran denke, Fahrscheine zu zwicken? Und was hat das mit der Fußgängerbrücke zur Lugner City zu tun?

Seit ewigen Zeiten habe ich eine Jahreskarte für die Wiener Öffis. Jeden Februar kommt der Zahlschein, den zahle ich ein und steige gedankenlos in alle Züge.

Heuer kam der Zahlschein auch, aber ich habe ihn nicht eingezahlt. Ich brauche heuer keine Jahreskarte. Seit Wochen leere ich auch meinen Tiefkühler und fülle ihn nicht nach. Heute gab ich dem netten Augustin-Verkäufer zum letzten Mal seinen rituellen Euro, weil er mir das Einkaufswagerl bringt. Ich gehe nicht mehr einkaufen.

Vertrautes abzuschließen ist seltsam. „Du bist in der Loslösungsphase“, sagt Hans, Wegbegleiter seit seligen WU-Zeiten und Zweitstudiums-Anthropologe. Loslösen, sagt er, das geht noch. Aber dann kommt die Liminalitätsphase, die zwischen den Welten. Da ist man verwundbar. Nicht mehr im Alten, noch nicht im Neuen.

„Wie auf der Fußgängerbrücke zur Lugner City.“ Hä? Also, sagt Hans, die Leute wollen ins Einkaufszentrum. Die U-Bahn dorthin ist vertrautes Terrain. Dann müssen sie über diese Brücke, von der man eine tolle Aussicht über den Gürtel hat. Sensationelle Sonnenuntergänge. Aber die Leute hasten weiter, fühlen sich unwohl da oben, sind nicht mehr da und noch nicht dort. Deswegen geht auf der Brücke auch jedes Café ein, weil keiner bleibt. Im Einkaufszentrum setzen sich die Leute dann in Lokale, in denen sie gegen Wände starren. Aber sie sind angekommen. Dann haben sie die Inkorporationsphase erreicht, sagt Hans: Sie haben sich im Neuen eingefunden und fühlen sich wohl.

Nun, sage ich, dann schaue ich mir gerade selbst bei der Loslösung zu. Und wenn mich nächste Woche ein Schwarzkappler erwischt, weil ich vergessen habe, meinen Fahrschein zu zwicken, dann weiß ich: Jetzt bin ich in der Liminalitätsphase.

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